Sonntag, 15. September 2019

Wie ich auf den Vihren kam – 15. September

Da stand er nun, der Kloß von einem Berg und wir wollten da hoch. Um Sieben klingelte der erste Wecker, sieben nach sieben der zweite. Nun aber raus, Kaffee und los. Gepackt hatten wir grob am Vorabend schon. Am Morgen war es noch sehr kalt. Mütze und doppelte Jacke, lange Hose und die Bergschuhe waren Pflicht. Um die 1.200 Höhenmeter galt es zu bezwingen. Sobald mein Blick nach oben ging, sagte ich leise: „ Du nicht“, gemeint war immer, dass er – also der Berg – nicht gewinnt. Ich will da hoch, egal was es kostet. Den ganzen Tag hab ich so laut oder leise den Berg besprochen. Wir starteten voll motiviert planmäßig halb neun vom Parkplatz der Bandereckihütte aus. Gleich ein paar Stufen, weil ich Höhenunterschiede ja so sehr mag, aber immernoch besser als auf der Straße laufen. Gegen neun waren wir an der Hütte Hut Vihren. Von dort aus geht es dann ernsthaft los. Zum Sonntag waren doch einige Leute unterwegs und so war erstmal ein bissel Gewusel, was sich aber schnell verlief. Wir folgten dem roten Wanderweg, obwohl wir eigentlich blau nehmen wollten. Es ging stufenweise nach oben, zunächst durch bewaldetes Gebiet, immer mal ein bissel steiler ein bissel flacher, aber stetig bergan. 
na dann mal los

es sieht so lieblich aus
voran - Wegfindung

DU NICHT

er hat das vorherige Bild aufgenommen
Wir trafen öfter Leute, die wir den ganzen Tag an verschiedenen Stellen wiedersehen sollten. Einige Gruppen lärmten ganz schön, die ließen wir immer zügig vorbei. Jeder ging sein Tempo, also Axel zügig fordernd voran, ich schnaufend lahm hinterher. Es war schon ganz schön heftig. Auf dem Sattel haben wir eine Pause gemacht und Weißbrot mit Schinken und Käse verspeist, runtergespült mit astreinem Quellwasser aus Vratsa. Dann waren es nur noch wenige Meter bis zum Grauen. Bis dahin hatten wir schon gute 800 Höhenmeter geschafft, doch der letzte unbewaldete Kegel, der sich uns bot, war echt grauenerregend. Nur Steine und Schotter, ein Pfad in dem Geröll sichtbar, bunte Punkte, die hoch strebten. Das war er, der Knackpunkt, hier stirbt jeder für sich allein und es sind noch knapp 300 Höhenmeter. Meine Füße schmerzten schon, meine Lunge bestand aus reinem Schmerz (scheiß Gerauche) und mir wurde immer mehr bewusst: Ich lebe in meinem Feind – meinem untrainierten, übergewichtigem Körper. Na dann muss der Wille her halten. Noch einmal schmetterte ich dem Gipfel ein „Du nicht“ entgegen und stapfte tapfer los. Man sah nichts, gar nichts von 20 min Stapfen. Blick aufs Garmin, es wird nicht weniger, also weiter. 10 min später, es stehen immernoch 2.7xx m Höhe da, die 2.800 will nicht fallen.Auch weiter 10 min später nicht. Aber irgendwann standen da 2.8xx m und ich wusste: Die letzten 100 Höhenmeter schaffe ich nun auch noch. 
Bergsee...idyllisch

noch ist Weg zu sehen

will ich das wirklich?

das Grauen - der Schlussanstieg im Hintergrund

Chef ist entspannt
Genauso war es auch, oben angekommen wusste ich nicht ob ich heulen oder lachen soll, also hab ich mich für heulen entschieden. Schade, dass ich kein Bier mehr trinke, meine Belohnung auf dem Gipfel war ein Mineralwasser mit Kohlensäure. Mit der Faust haute ich auf einen Stein und sprach. „Ich hab es dir gesagt, Du gewinnst nicht“. Und nun hieß es noch den Cache finden, was sich in der Steinwüste als schwierig und langwierig erwies, aber von Erfolg gekrönt wurde. Nachdem eine Meute die Gipfelfahne verlassen hatte, schossen wir die obligatorischen Fotos und begannen mit dem Abstieg. Orr nee, ich kann das eigentlich schnell erzählen. Qual, Aua, Qual, Tränen, Wut. Gewinnt der Schweinhund von Berg doch noch?

oben und entsprechend fertig

herrlich - dem Himmel so nah

Gipfelglück

ohne Plakette geht nix
Die etwas längere Fassung beginnt mit dem Überschreiten des Vihren und dem Einstieg in eine sehr steile Passage, die mit Ketten recht gut versichert war. Bin ich froh das wir den anderen Weg hoch gelaufen sind, denn eigentlich wollte Axel hier hoch. Stück für Stück kämpfte ich mich hinab, Knie das erste Mal eingehauen, erste Tränen. Der weite Pfad ist schon erkennbar, aber noch hufweit weg. Selbst als der erreicht war, ging es bescheuert weiter, rollig, hinab. Die Stöcke halfen allerdings bei der Balance enorm. Axel hatte ein Einsehen und wartete in größeren Abständen auf seine lahme Ente. Der Pfad endete wieder in einer Steilstufe, ächz stöhn, heul – eher Wutgeheule als alles andere. Nach dem steilen Stück dann Geröll nach unten. Wer sich erinnert, Geröll ist mir an der Zugspitze zum Verhängnis geworden und seit dem verbindet Geröll und mich ein sehr heißer Hass. Aber es war ein Stück sichtbar, das aussah wie gängig. Das war‘s auch ca 200m. Das war das Erholungsstück auf dem Weg hinab. Nun kann ich weiter jammern und klagen oder mal was zur Natur sagen. Wir liefen an einer Bergflanke hinab, Geröll in unterschiedlichsten Größen, Flechten auf Gestein, da mal ein Blümchen und sogar ein Edelweiß konnten wir entdecken. Der Blick ging immer wieder ins weite Land, gesäumt von Bergen und Skiliften, der Blick zurück ging zum Feind, der uns noch ein graues verharrschtes Schneefeld zeigte. Eigentlich war es wunderschön. Zurück unter der Baumgrenze ging der Weg steil aber gangbar hinab. Ich brauchte trotzdem viel Zeit weil ich mir zwischenrein das gleiche Knie noch einmal eingehauen habe. 
die Natur mal die schönsten Bilder

Blick zurück

und wo ist nun der Weg?

da runter

Edelweiß

verharrschter Schneerest
Relativ weit unten verzichtete ich auf einen 300m Umweg zu einem Cache, ich wollte nur noch raus aus den Schuhen und liegen. Das gelang halb sechs dann auch. Grummel stand da und wartete auf uns.
kleiner Überblick

Ich schlüpfte aus den Schuhen und sank in seine weichen Arme. Tot – naja halbtot. Hatte der Berg also doch gewonnen? Nö, ich bin heil dort hoch und wieder runter gekommen. Er hat mich geschafft aber nicht besiegt. Essen hab ich ausfallen lassen, ein Schluck Rotwein reichte zum Tagesabschluss. Gegen halb acht beschloss Axel doch noch runter ins Tal zu fahren, es war einfach viel zu kalt auf 1.800 m Höhe. Noch ein zweiter Schluck Wein und hinlegen war dann für mich alles. Ich will nie wieder laufen.
hinab hinab hinab

geschlossen 

Steinkreis

so möchte ich es in Erinnerung behalten

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