Sonntag, 8. September 2019

Ein Tag in Herkulesbad zwischen Weinen und Lachen – 8. September

Während des ausgiebigen Frühstücks kam eine Omi angewackelt und kassierte für die vergangene Nacht. 10 Lei, umgerechnet ca 2,50 Euro kam der Spaß. Ich hatte schon fast ein schlechtes Gewissen. Doch genauso stand es da – Mikrobus 10 Lei. Naja so können die zu nix kommen. Wir gönnten uns einen ganz ruhigen Start in den Tag, schließlich ist Urlaub und wir müssen erstmal in der Urlaubsstimmung ankommen.  Nach dem Frühstück gab es einen Sekt und beschwingt räumten wir zusammen. Tisch und Stühle ließen wir mit einem Vermerk, dass wir wiederkommen da und fuhren ein paar wenige Kilometer zum Nationalparkzentrum. Fahren glich eher einem Schlängellauf um die überall stehenden Autos. Unseren Grummel konnten wir sehr schattig abstellen, packten Badezeug ein und ein bissel Wasser. Auf vertrautem Weg vorbei am Hotel Roman ging es in Richtung Altstadt.
ziemlich leer

Duschen

da steht er

Preise in Lei
Mh wie sage ich es meinem Kinde oder eben Euch als Lesern? Wie schlimm der Verfall ist, ahnten wir bereits gestern im Dunklen, aber was uns erwartete, übertraf es einfach noch. Mitunter trieb es mir die Tränen in die Augen. Die herrlichsten Häuser – verfallen, die schönsten Bäder – kalt und leer, die barocken Bauten – marode und morsch, aberwitzige Planen davorgehängt. Da steht stolz und kühl der Herkules in seinem Brunnen – trocken, links und rechts davon verfallene Gebäude, zugehängt mit einem Bild, wie es mal nur halbverfallen aussah. Ein Stück angefangen und dann aufgehört zu sanieren, Geld alle? In die uralten römischen Bäder kann man ab und an einen Blick durch ein Loch werfen und es dauert einen. Das schafft weder unsere Generation noch die nächste. Wenn wir ganz ehrlich sind, ist die gesamte Architektur schon gestorben und nicht nur zum Tode verurteilt. Axel meinte – da können nur noch die Chinesen helfen, soviel Geld hat sonst keiner, wie hier drauf geht. 
Grazien bei der Arbeit

Einblick

es dauert einen

besser so, dass es verhängt ist

geschlossen
Heute gingen wir auf der anderen Seite des Cerna entlang, wir wollten die österreichischen Bäder sehen – klar auch die tot, und einige Quellen besuchen. Das ist das faszinierende an diesem Ort, er lebt. Dank der tausenden Kurgäste, die mit ihren Flaschen von Quelle zu Quelle ziehen und auf Gesundung hoffen. Wir staunten nur, ob der vielen unterschiedlichen Zusammensetzungen des Wassers. An der Neptunquelle 2 machten wir eine Pause und guckten den Fluss entlang. Immer wieder sah man Leute in der Cerna oder eben kleineren Becken sitzen, viele Alte, noch mehr Dicke. Das wollten wir auch, so alt sind wir zwar noch nicht und so dick gottseidank auch nicht, aber man kann ja vorbeugen. Der Tag ist noch lang und wir wussten, dass die Leute nach so einem Bad KO sind, also verschoben wir es auf später. Zunächst musste Neptunquelle 3 herhalten, gut für die Augen. Axel wusch sich gleich das ganze Gesicht und ich tupfte vorsichtig als Kontaktlinsenträger das Gelumpe rund um die Augen. Pfui Teufel stinkt das nach Schwefel und Hölle. Aber es wirkt. Zumindest hat man das Gefühl und das ist ja schon viel wert. 
Leerstand

Quelle

auch hier Verfall Neptunquelle 2

schmucker Kerl an der Neptunquelle 3

ich glaube es wirkt schon

ohne Worte

Detail in einem Haus
So langsam schlich sich Hunger in die Magengegend, also wechselten wir ganz entspannt die Seite vorbei an den alten österreichischen Badanlagen. Sissi würde sich im Grab umdrehen, wenn sie sehen könnte, was daraus geworden ist. Erbärmlich trifft es nicht annähernd. Dabei sind so viele tolle Details zu sehen, man kann sich vorstellen, wie atemberaubend schön das mal war. Der gestrige Platz des Volksfestes war noch immer mit reichlich Buden bestückt und auch die „Fleischbude“ vom Vorabend gab es noch. Wir entschieden uns für zwei Fleischspieße mit Huhn und ein Fladenbrot dazu. Fehlentscheidung, nein, nicht weil es nicht geschmeckt hat, sondern weil es zuviel war. Ein Spieß für zwei hätte locker gereicht. Den Rest packten wir hübsch in einen leeren Bierbecher verschlossen mit einem Gummihandschuh ein (kein Mensch weiß warum ich sowas in der Tasche habe). Abendbrot gesichert. 
ich könnte heulen

da geht keiner mehr drüber

näher wollt ihr das nicht sehen - österreichisches Bad der Kaiserin Sissi

Fleisch ist mein Gemüse

Originalverpackung
Nun waren wir platt und vollgefuttert. Träge schlurfen wir zum Casino hoch und konnten dort ein paar schöne Fresken entdecken, hier wurde auch mal angefangen, halbherzig. Der kleine Park davor bietet viele Bänke auf unterschiedlichen Ebenen und nahe dem 200 Jahre alten Mammutbaum ließen wir uns für über zwei Stunden nieder. Menschen gucken, philosophieren, noch ein Bier und verdammt leckere Teigbällchen mit Schokosauce zum Nachtisch. So kann man die Zeit auch rumbringen. Immer wieder liefen Menschen mit leeren Plasteflaschen an uns vorbei und kamen kurze Zeit später mit vollen Flaschen zurück. Ich lief einem jungen Mann spionierend und mit einer leeren 25 cent Flasche bewaffnet nach. Ach gucke an, es gibt hier auch eine Mineralwasserquelle. So warm wie die Thermalquellen sind, so kalt war diese Quelle. Mit einem ungeheuren Druck schoss das Wasser aus sechs Hähnen, viele Menschen füllten alle möglichen Behälter voll und es wurde nicht weniger Wasser. Ich füllte also mein Fläschlein und ging zurück. Lecker, kalt und auch noch gesund das Wasser. Eine zweite Füllung holten wir, weil ich Axel ja die Quelle zeigen wollte. 
ein wenig Schönheit

da wurde schonmal angefangen

auch geschlossen

von nahem geht es nicht mehr

mit viel Mühe einen schönen Ausschnitt gefunden

was bringt er da leckeres?

Hüftgold und....

....Durstlöscher

pures Glück
So, der Tag ist weit fortgeschritten, Zeit für ein Bad in so ner stinkenden Quelle. Wir liefen also ein Stück, stiegen zum Fluss hinab und zu unserem Glück war das Becken so gut wie leer. Umziehen und rein. Ja beide, auch Axel! Aber wie immer wenn es um Wasser geht, hatte er was zu meckern. Dieses Becken war ihm nicht warm genug. Hallo? Das Ding hatte um die 36 Grad. Wir saßen eine ganze Weile drin, der Auftrieb war schon bemerkenswert. Ich hab nichts gemacht und die Arme schwammen oben.Der Schwefel stieg in die Nase und als wir rauskamen, wuschen wir uns mal lieber die Brühe im Fluss ab. Und nun? Laufen wir doch einfach zurück Richtung Auto und gehen nochmal am Hotel Roman in so ein Becken. Gesagt, getan. Immer wieder Kopf schüttelnd ließen wir auch auf dem Rückweg die Augen schweifen. Es wurde nicht besser, nirgends. Am Hotel Roman erwartete uns eine ähnliche Situation, ganz wenige Menschen vor Ort. Also wieder rein in die Badesachen – so richtig gehören wir nicht dazu, denn hier latschen viele einfach im Bademantel durch die Gegend – und mal gucken wie es hier so ist. Zumindest stinkt es nicht. Axel hatte ausnahmsweise mal keine Geduld und ging an einem sitzenden Vater vorbei gleich auf die zweite oder dritte Stufe unterhalb des Wasserspiegels. Hihi, der Blick war köstlich. Ich hatte erst ein bissel die Befürchtung es sei kalt, so sah er nämlich aus, aber das ganze Gegenteil, das Ding war heiß und zwar richtig. Tapfer tauchte er ein und hielt es sogar lange drin aus, wenn man sich einmal dran gewöhnt hat geht es prima. Na dann sind wir doch bereit für das nächste Becken, vielleicht ist es etwas kühler. Axel wieder Vorreiter- nee nicht kühler, noch heißer. Da hat er dann gestreikt. Ich hielt es gut drin aus, alle Muskeln mal wieder weich und durchgewärmt. Dieses Becken wurde direkt aus der Quelle gespeist, ich schätze es waren min 42 Grad. Da die Becken ja überlaufen, gibt es überall mit Steinen abgetrennte Areale im Fluss und unterhalb der Quelle saß dann Axel im heißen Sud. So lässt es sich leben und wir haben doch noch lachende Augen in Herkulesbad. Aber diese Sitzbäder erschöpfen wirklich ziemlich. Wir ruhten draußen eine Weile, ehe wir uns zurück zum Auto begaben. 
Mammutbaum

Laterne

volles Heilbad tagsüber

man sieht im Fluss den Einlauf des Schwefelwassers

schön warm

schnell rein - zu schnell

aber tapfer drin ausgehalten

groggy
Auto noch ganz und auch auf dem Zeltplatz stand unser Mobiliar noch so wie wir es verlassen hatten. Warum die Anmerkung? Weil immer alle denken, die Rumänen klauen alles was nicht niet- und nagelfest ist. Wir mussten das noch nicht erleben. Axel hab ich dann zum Küchendienst verurteilt, Huhn aus seiner unmöglichen Verpackung befreien und mit Zwiebeln anbraten. Ich hatte keine Zeit, ich hab derweile diese Zeilen hier geschrieben, sonst vergesse ich alles bis daheim und hab die unmittelbaren Emotionen nicht mehr präsent.
Einheimische

Entsetzen

durch Türschlitz entdeckt

auf dem Weg entdeckt

1 Kommentar:

  1. War echt beeindruckend, aber auch ernüchternd ... und wie gesagt, ob man das eh wieder hinbekommt?

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